Hochwasser Nachbetrachtung: wenn das Wasser von hinten kommt Eine Gemeinde kämpft gegen die Flut
“Seitdem ich hier wohne, hatten wir noch nie ein Hochwasser. Wenn, dann ist das Wasser von der Donau gekommen, und das auch nur bis zum ‚Berg‘. Aber dass es von hinten kommt, damit hat niemand gerechnet.” Die Worte eines Bewohners von Erpersdorf, einer kleinen Ortschaft in der Gemeinde Zwentendorf, beschreiben eindrucksvoll die Überraschung und das Entsetzen, als das Wasser plötzlich aus ungewohnter Richtung kam. Es war der Beginn einer Katastrophe, die niemand hatte kommen sehen – ein Hochwasser, das die Region erschütterte und die Bewohner zu Helden machte.
Der Beginn einer langen Woche
Alles begann am Samstag, den 14. September 2024. In einer frühen Lagebesprechung trafen sich die Feuerwehren des Unterabschnitts Zwentendorf mit der Gemeindevertretung. Gemeinsam beschlossen sie, Sandsäcke zu füllen – eine Vorsichtsmaßnahme, die zu diesem Zeitpunkt noch als überflüssig erschien. Der Pegel der Donau schien keine unmittelbare Gefahr darzustellen. Doch schon bald sollte sich das Blatt wenden.
„Schlag auf Schlag“ – so beschreibt einer der Feuerwehrleute die darauffolgenden Stunden. Am Morgen des 15. September wurden sie alarmiert, um Sandsäcke in Tulln zu füllen. Währenddessen fuhr ein Kamerad nach Sieghartskirchen, um Menschen mit Zillen – den flachen Rettungsbooten der Feuerwehr – zu evakuieren.
Als die Einsatzkräfte nach einem langen Tag in ihr Feuerwehrhaus zurückkehrten, war keine Zeit für eine Pause. Ein Trupp machte sich sofort auf den Weg nach Bärndorf, um dort zu helfen. Am Nachmittag ging es weiter nach Pischelsdorf, wo sie bei der Erhöhung des Damms an der Perschling mit anpackten. Am Abend wurde der gesamte Unterabschnitt nach Dürnrohr gerufen – der Dammbau musste weitergehen, der Kampf gegen das Wasser war in vollem Gange.
Zivilschutzalarm: Das Wasser kommt
Am Montag, den 16. September, erreichte die Lage einen kritischen Punkt. Die Feuerwehr löste die Zivilschutzwarnung aus und informierte die Bewohner. Man hoffte, dass das Aufschneiden der Straße, um einen zusätzlichen Abfluss zu schaffen, helfen würde. Doch die Hoffnung währte nicht lange. In der Nacht zum 17. September musste der Zivilschutzalarm ausgelöst werden – der Damm der Perschling war gebrochen.
Trotz weiterer Maßnahmen, wie das erneute Aufschneiden der Straße, ließ sich die Flut nicht aufhalten. Die Lage verschärfte sich, als das Wasser unaufhaltsam in die Ortschaften eindrang. Die Feuerwehr begann mitten in der Nacht mit der Evakuierung der Bevölkerung, zuerst mit Traktoren, dann mit Zillen. Selbst das Feuerwehrhaus, das sie verzweifelt mit Sandsäcken zu schützen versuchten, musste aufgegeben werden.
„Mit den angeforderten Zillen konnten wir die Evakuierung fortsetzen“, erinnert sich einer der Einsatzleiter. Die Einsatzleitung wurde in die Tullnerstraße verlegt, und zur Unterstützung wurden ein Amphibienfahrzeug und ein Pinzgauer, ein geländegängiges Fahrzeug, angefordert. Die Bevölkerung zeigte in dieser schwierigen Zeit großen Zusammenhalt und half tatkräftig mit.
Die Pumpen laufen
Am Dienstag, den 17. September, traf endlich die langersehnte Unterstützung ein: Die ersten Großpumpen wurden in Stellung gebracht und begannen, das Wasser von den Straßen zu pumpen. Rund um die Uhr waren die Maschinen im Einsatz, um die Wassermassen in den Griff zu bekommen. Ein großes Dankeschön gebührt den Feuerwehren aus St. Veit an der Triesting, Brunn am Gebirge, Markt Piesting, Untersiebenbrunn, Maustrenk und Horn, die alle unermüdlich mitgearbeitet haben.
Doch es dauerte noch weitere Tage, bis die Situation allmählich unter Kontrolle kam. Am Donnerstag, den 19. September, konnte die Feuerwehr endlich in ihr Feuerwehrhaus zurückkehren. An diesem Tag unterstützten die Feuerwehren aus Bärndorf und Pischelsdorf bei den unterschiedlichsten Aufgaben. Die Arbeit war noch lange nicht getan.
Das große Aufräumen beginnt
Am Freitag, den 20. September, und Samstag, den 21. September, kamen KHD-Züge (Katastrophenhilfsdienst) in die Region, um die Keller der betroffenen Häuser vom Wasser zu befreien. Doch das war nur der Anfang. Freiwillige Helfer organisierten sich, um Sperrmüll zu beseitigen und die unzähligen Sandsäcke, die überall verteilt lagen, zu entfernen. Das Wasser war zwar weg, doch jetzt begann die eigentliche Herausforderung: das Aufräumen und der Wiederaufbau.
Die Dankbarkeit für die immense Unterstützung in diesen schweren Tagen ist groß. „Ein riesengroßes Dankeschön an die freiwilligen Feuerwehren des Unterabschnitts Zwentendorf, die Gemeinde Zwentendorf, die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, an die Firma Hummer und an die Familie Kühtreiber für ihre unermüdliche Unterstützung“, heißt es vonseiten der Feuerwehr. Auch die örtlichen Betriebe, wie die Fleischerei Höchtl, die Pizzeria Altonno, die Bärndorferhütte, Spar Augstaller und Billa, versorgten die Einsatzkräfte und die Betroffenen mit Speisen und Getränken.
Ein Dorf, das zusammenhält
Das Hochwasser 2024 hat Zwentendorf schwer getroffen, doch es hat auch gezeigt, dass die Gemeinschaft zusammenhält. „Das Wasser ist zwar weg, aber jetzt fängt das große Aufräumen an“, fasst ein Feuerwehrmann die Lage zusammen. Die Bilder von überschwemmten Straßen und notdürftig gesicherten Häusern werden noch lange im Gedächtnis bleiben, doch sie erzählen auch von einem Dorf, das in der Not zusammengewachsen ist.
Bilder: FF Erpersdorf